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Innenausschuss ermöglicht Polizeiarbeit mit Spionagedaten der Geheimdienste

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Ein trauriger Tag für Bürgerrechte und Datenschutz: Heute hat der Innenausschuss des Bundestags über gemeinsame Datenpools von Polizei und Geheimdiensten in der Anti-Terror-Datei (ATD) und der Rechtsextremismus-Datei (RED) abgestimmt. Das Ergbnis: Die Polizei bekommt erweiterte Recherchebefugnisse für Daten, die Geheimdienste in den gemeinsamen Dateien ablegen, und umgekehrt. Morgen ist die Abstimmung im Plenum des Bundestags.

Wir hatten die Mitglieder des Innenausschusses zuvor mit einem Brief und in einer Petition dazu aufgefordert, das verfassungswidrige Gesetz abzulehnen. Denn es entspricht nicht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24.4.2013 an das Gesetz angelegt hatte. Auf diese Vorgaben hin sollte es geändert werden. Die große Koalition nahm die vom obersten Gericht geforderte Überarbeitung allerdings zum Anlass, das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten weiter auszuhöhlen. Grüne und Linke stimmten gegen die Gesetzesnovelle.

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Was sagt die große Koalition zu unseren Forderungen?

1) Die Geheimdienste sollen Informationen und Daten über Personen nur dann an die Polizeien weitergeben, wenn sie damit reale Gefahren für Leib und Leben abwenden können. Dafür braucht es kein Datenpool.

Die große Koalition spricht sich mit der Novelle des Anti-Terror-Datei-Gesetzes für die Nutzung gemeinsamer Dateien zwischen Polizeien und Geheimdiensten aus. Die insgesamt 38 Behörden geben die Daten terrorverdächtiger Personen und so genannte „erweiterte Grunddaten“ wie Telefonnummern, Bankdaten und Kontaktpersonen in die Datei ein. Andere Behörden können die Personendaten direkt abrufen. Für die Nutzung der „erweiterten Grunddaten“ brauchen sie die Genehmigung der Behörde, die die Daten eingegeben hat. So entsteht ein riesiger Datenpool von Personen, die nach Ansicht verschiedener Polizei- oder Geheimdienstbehörden als „terrorverdächtig“ oder „im Kontakt mit Terroristen stehend“ gelten.

Wenn ein schlecht kontrollierter und im Dunkeln arbeitender Geheimdienst Sie als „Kontaktperson“ oder „Unterstützer/in“ einer als terroristisch eingestuften Gruppe in die Datei tippt, können Sie zur Zielperson polizeilicher Fahndungen werden – mit allen Konsequenzen von Wohnungsdurchsuchung bis Inhaftierung. Polizeiliche Kompetenzen haben Geheimdienste in Deutschland bewusst nicht, damit sich Stasi und Gestapo niemals wiederholen können. Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten wird hier massiv ausgehöhlt.

Wenn ein Geheimdienst sichere Anhaltspunkte hat, dass ein von ihm beobachteter Mensch einen Anschlag begehen will, dann sollte er verpflichtet sein, diese Informationen an die Polizei weiterzugeben. Bisher kann der Inlandsgeheimdienst darüber selbst entscheiden. Daran ändert auch ein Datenpool nichts. So hat der Verfassungsschutz das Auffinden des NSU jahrelang blockiert, wie der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss bestätigt. Ein gezielter Anruf hilft hier mehr als eine riesige Datei.

Im übrigen sind wir der Meinung, dass der Inlandsgeheimdienst abgeschafft werden kann, da eine geheimdienstliche Überwachung weit im Vorfeld von Straftaten demokratisch nicht kontrollierbar und von unserem Grundgesetz her nicht mit der Meinungsfreiheit vereinbar ist. Es gibt nicht einen Terroranschlag, den ein deutscher Geheimdienst nachweislich verhindert hätte. Im Gegenteil verhindert der „Verfassungsschutz“ die Aufklärung der NSU-Morde bis heute.

2) Keine erweiterte Datennutzung: Die Polizei darf die Daten nicht für ihre operativen Aufgaben verwenden und umgekehrt. Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten darf nicht ausgehöhlt werden. Auch für den im Gesetzesvorschlag genannten „Eilfall“darf keine Ausnahme gemacht werden.

Die an den gemeinsamen Dateien beteiligten Behörden können für Rechercheprojekte von bis zu vier Jahren Dauer die erweiterten Daten nutzen. Das ist nicht mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, das die Datei nur im Rahmen der Verfassung als zulässig erklärt, weil sie ein Instrument der „Informationsanbahnung“ sein soll. Auch die Inverssuche verbot das Gericht, also die Eingabe einer in den „erweiterten Grunddaten“ gespeicherte Telefonnummer, die einen zum Namen und dem Bild der gesuchten Person führt. Diese rote Linie wird eindeutig überschritten, wenn alle verfügbaren Daten für umfangreiche Netzwerk- oder Bewegungsanalysen genutzt werden. Das sieht auch der Innenausschuss des Bundesrats in seiner Beschlussempfehlung so (Empfehlungen des Bundesrats). Doch der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen und wird deshalb nicht gehört.

Die „Eilfallregelung“ besagt, dass in einem Fall erhöhter Gefahr direkt auf die „erweiterten Grunddaten“ zugegriffen werden kann und erst später das OK der speichernden Behörde eingeholt werden muss. Das hatte der Innenausschuss des Bundesrats kritisiert und die Streichung dieser Ausnahme gefordert (Empfehlungen des Bundesrats).

3) In den Dateien (ATD und RED) dürfen keine „Befürworter“ und „Kontaktpersonen“ gespeichert werden. Die Gefahr, dass Unbeteiligte in die polizeiliche Strafverfolgung geraten, ist viel zu hoch.

„Kontaktpersonen“ und „Unterstützer“ terroristischer Vereinigungen sollen weiterhin gespeichert werden. Allerdings soll man diese Personen nicht über die Namenssuche finden, sondern nur über die „erweiterten Grunddaten“ einer „terrorverdächtigen“ Person. Das Problem, dass dadurch Unbeteiligte in die polizeiliche Strafverfolgung geraten, ist damit nicht behoben.

Insgesamt sind wir enttäuscht, wie die große Koalition mit der Novelle des Anti-Terror-Datei-Gesetzes Bürgerrechte im Namen der „Terrorismusabwehr“ beschneidet. Das Instrument einer riesigen Datenbank ist ungeeignet, um Anschläge zu verhindern. Es kommt hingegen allen Ideen eines Überwachungstaates entgegen. In dieselbe Richtung stoßen die in den letzten Jahren gegründeten „gemeinsamen Zentren“ von Polizei und Geheimdiensten wie das „Terrorismusabwehrzentrum“ in Berlin Treptow. Diese Zentren entbehren jeder rechtlichen Grundlage. Polizeien und Geheimdienste arbeiten hier offensichtlich im operativen Geschäft zusammen. Die Erfahrung von Geheimpolizeien wie der Stasi und der Gestapo sollten uns lehren, solche Fehler nicht wieder zu begehen. Deshalb wollen wir am Freitag, den 7. November – zum 64. Jahrestag des Inlandsgeheimdienstes – vor dem gemeinsmen Zentrum von Polizeibehörden und Verfassungsschutz in Berlin demonstrieren. Seien Sie dabei – weitere Infos folgen.


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